Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft ist in §13b Umsatzsteuergesetz (UStG) geregelt und beschreibt das Reverse-Charge-Verfahren. Die Umsatzsteuer wird in der Regel vom leistenden Unternehmen aufgeschlagen und an das Finanzamt abgeführt. Dieses Unternehmen ist der Steuerschuldner. Nun gibt es Fälle im unternehmerischen Bereich, in denen sich die Schuldnerschaft umkehrt. Besonders mit Geschäftstätigkeiten ausländischer Geschäftspartner. Privatpersonen bleiben von dem Reverse-Charge-Verfahren unbetroffen, es gilt nur bei umsatzsteuerlichen Geschäftsvorfällen zwischen Unternehmern.

 Reverse-Charge-Verfahren | Kennzeichnung auf Rechnungen.

Im Falle der umgekehrten Steuerschuldnerschaft, schuldet der Leistungs- oder Güterempfänger dem Finanzamt die Umsatzsteuer. Das Reverse-Charge-Verfahren wird i. d. R. in der gesamten EU bei grenzüberschreitenden Geschäften angewendet. 

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Das Reverse-Charge ist letztendlich ein "Null-Summenprinzip". Das bedeutet der Empfänger schuldet die Umsatzsteuer seines Landes und setzt diese gleichzeitig als Vorsteuer an. Es erspart Bürokratie und erschwert den Missbrauch von Steuerregelungen. Hier insbesondere eine vorbeugende Maßnahme des Umsatzsteuerbetrugs. In diesem Zusammenhang spricht man auch von Karusselbetrug. Manche Branchen waren für diese Art von Betrug anfällig und dies soll das Reverse-Charge-Verfahren beheben.

Die gesetzliche Regelung zielt darauf ab, den Steuerbetrug mit sogenannten "Missing Tradern" zu minimieren. Da der Leistende an dieser Stelle im innergemeinschaftlichen Verkehr keine Umsatzsteuer auszuweisen hat, besteht die Gefahr, dass ein Hinterziehungskarussell aufgebaut wird. Kauft ein deutscher Geschäftsmann Ware in Spanien, bekommt er die Ware ohne ausgewiesene Umsatzsteuer. Dieser Verkauf die Ware weiter an ein etabliertes deutsches Unternehmen mit 19% Umsatzsteuern. Dieser Käufer erhält seinen Vorsteuerabzug, verkauft aber dann die Warencharge ohne Umsatzsteuer an ein Unternehmen in Italien. Der deutsche Erstbezieher verschwindet vom Markt (Missing Trader), ohne die Umsatzsteuer abzuführen. Der Fiskus in Deutschland verbleibt nur mit abgezogener Vorsteuer. Dieser Kreislauf kann sich nach belieben wiederholen (Karussell).
Gleichzeitig findet eine Art Gleichbehandlung statt. Der Leistungsempfänger wird mit Umsatzsteuern belastet, als ob er diese Leistung im Inland bezogen hätte. Er kann im gleichen Zuge die gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer in seinem Land geltend machen. Die Meldung ist maßgeblich. 

Die allgemeinen innergemeinschaftlichen Lieferungen/Erwerbe sind keine Reverse Charge Tatbestände.

Eine Abgrenzung zur gewönlichen Innergemeinschaftlichen Lieferung bzw Erwerb: Bei dem Reverse-Charge-Verfahren wird bei der Leistung angesetzt, die der Steuer unterliegt, jedoch schuldet der Empfänger die Steuer. Die innergemeinschaftliche Lieferung ist stets steuerfrei, nur nicht der Erwerb. Bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb wird beim Erwerbstatbestand angesetzt.

Das Reverse-Charge-Verfahren

Dieses Verfahren kommt nur zur Anwendung, wenn Unternehmen für Unternehmen (Business-2-Business) bestimmte Leistungen ausführen oder sich mit bestimmten Gütern versorgen. Für den in Deutschland ansässigen Unternehmer ist nur Voraussetzung, dass die Leistung in Deutschland auch steuerpflichtig ist. Die Umkehr der Steuerschulderschaft findet Anwendung in den Sachverhalten, die unter § 13b Abs. 1,2 UStG aufgeführt sind.

Dazu gehören vor allem:

  • Im Inland steuerpflichtige Werklieferungen, z.B. ein fertiges Werk zum Besteller im Ausland überführt wird oder das Liefern und Einbau von im Ausland bezogenen Gütern. Oder sonstige Leistungen, die von einem aus dem Ausland bestellten Unternehmer ausgeführt werden. Als Leistungsempfänger müsste der in Deutschland ansässige die Umsatzsteuer über den Rechnungsbetrag übernehmen. Dies betrifft insbesondere Werklieferungen von Bauunternehmern, Montagefirmen bzw. Handwerksbetrieben.
  • Bauleistungen. Werklieferungen und sonstige Leistungen, wie die Herstellung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigungen dienen. Der Leistungsempfänger muss aber selbst geschäftlich Bauleistungen erbringen;
  • Gebäudereinigungen (Subunternehmer). Auch hier muss der Leistungsempfänger selbst geschäftlich Gebäudereinigungsdienstleistungen erbringen.
  • steuerpflichtige Umsätze, sofern diese unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen.
  • Edelmetallen wie Gold (Feingehalt von 325/1.000), Silber und Platin als Warenlieferung.
  • Bestimmte Altmetalle und Lieferungen von werthaltigen Abfallstoffen.
  • Warenlieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet-Computern, Spielekonsolen und integrierten Schaltkreisen (z.B. Prozessoren).
  • Lieferungen von Gas und Elektrizität eines im Ausland ansässigen Unternehmens.
  • Innergemeinschaftlcher Handel mit Treibhausgas-Emissionszertifikaten

Auch Kleinunternehmer, die nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind, können als Leistungsempfänger zur Steuerschuld nach § 13b UStG belastet werden. Ist der Empfänger der Leistung oder Warenlieferung vorsteuerabzugsberechtigt, kann er die durch das Verfahren geschuldete Umsatzsteuer natürlich als Vorsteuer abziehen. Der Nach § 19 UStG handelnde Kleinunternehmer hat dieses Priveleg nicht. 
Das Reverse-Charge-Verfahren wird auch angewendet bei pauschalversteuernder Land- bzw. Forstwirt (§ 24 UStG) oder bei Unternehmern, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen.

Standort der Leistungserfüllung ist maßgeblich

Ort der sonstigen Leistung (Dienstleistung) ist bei Geschäftsbeziehungen im unternehmerischen Bereich dort, wo der Empfänger der Diensleistung sein Unternehmen betreibt. Wird die Leistung an einer anderen Betriebsstätte eines Leistungsempfänger ausgeführt, ist stattdessen diese Betriebsstätte Ort der Erfüllung. Da so gut wie jeder der EU angehörige Staat ein Reverse-Charge-Verfahren anwendet, ist dies von entscheidender Wirkung. Ob ein Unternehmer im Ausland ansässig ist, ist für den Zeitpunkt der Ausführung relevant. Der Niederlassungsort vor Vertragsabschluss spielt dabei keine Rolle. Hat der ausführende Unternehmer Niederlassungen im In- und Ausland, gilt die Bruttorechnung mit Umsatzsteuer des Inlands; das Reverse-Charge-Verfähren käme nicht zur Anwendung.

Zu den Sonstigen Leistungen gehören nach Auffassung des Umsatzsteuerrechts auch Leistungen von Architekten, Künstlern und anderen freien Berufen, wie Softwareentwicklern,  Aufsichtsräten, Berufssportler, Lizenzgeber sowie Filmverleiher und Handelsvertreter. Führt also ein französischer Künstler im Auftrag ein Stück in Deutschland auf, schuldet der deutsche Leistungsempfänger die Umsatzsteuer für die Künstlerrechnung innerhalb der Bundesrepublik.

Gründstücksleistung und Personenbeförderung

Eigentlich sieht das Reverse-Charge-Verfahren den Ort des Leistungsempfängers als umsatzsteuerlichen Erfüllungsort vor. Bei einigen Tatbeständen liegen aber Ausnahmen vor. Grundstücksleistungen werden dort besteuert, wo das Grundstück liegt. Ableitend Restaurationsleistungen dort, wo sich das bauwerkliche Objekt befindet. Bei Personenbeförderung ist der Ort maßgeblich, in dem die Beförderung statt fand. Die Vermietung von Landfahrzeugen (bis 30 Tage) und Wasserfahrzeugen (bis 90 Tagen) sieht eine Ausnahme vor. Wenn ein deutscher Unternehmer in Belgien ein Auto für diesen Zeitraum entleiht für Geschäftszwecke, bekommt er eine Rechnung mit belgischer Umsatzsteuer vom belgischen Leistungserbringer - die Leistung war in Belgien steuerpflichtig.

Kennzeichnungspflicht auf Rechnungen

Der Leistende hat auf seiner Rechnung den Vermerk „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ auszuweisen. Die Angabe von Umsatzsteuern ist nicht notwendig. § 14a Abs. 5 UstG:

"Führt der Unternehmer eine Leistung im Sinne des § 13b Absatz 2 aus, für die der Leistungsempfänger nach § 13b Absatz 5 die Steuer schuldet, ist er zur Ausstellung einer Rechnung mit der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ verpflichtet; ..."

Es muss sich stets um eine Netto-Rechnung handeln.

 

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